EuGH Urteil: Europäische Haftbefehle der deutschen Justiz rechtswidrig
In unserem heutigen Blogbeitrag befassen wir uns mit einer spannenden, maßgebenden Entscheidung des EuGH im Bezug auf den Erlass europäischer Haftbefehle durch deutsche Staatsanwälte und Richter.
In der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27.05.2019 (EuGH Urteil vom 27.05.2019 – C-508/18, C-82/19) stellte dieser nämlich fest, dass Bedenken an der Unabhängigkeit deutscher Staatsanwälte bestehen und diese daher nicht befugt sind, europäische Haftbefehle zu erlassen.
Die Situation:
Bei der Einführung des europäischen Haftbefehls in das deutsche Recht wurde die Zuständigkeit für den Erlass eines europäischen Haftbefehls gemäß § 74 IRG (Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen) über die Wege verwaltungsrechtlicher Erlasse auf die Staatsanwaltschaften delegiert.
Die Entscheidung des EuGH:
In seiner Entscheidung hat der EuGH nun festgestellt, dass Art. 6 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.06.2002 so auszulegen ist, dass darunter nicht Staatsanwaltschaften eines Mitgliedstaates fallen, die der Gefahr ausgesetzt sind, Anweisungen etwa des Justizministers unterworfen zu sein.
Dies genau gilt für die deutschen Staatsanwaltschaften gemäß § 174 GVG, die den Weisungen ihres übergeordneten Justizministers unterworfen sein können.
Die Folgen der Entscheidung:
Die Ausstellung europäischer Haftbefehle durch deutsche Staatsanwälte ist durch diese Entscheidung zukünftig rechtswidrig.
Aber auch die Ausstellung deutscher europäischer Haftbefehle durch Richter ist mangels einer hinreichenden Rechtsgrundlage rechtswidrig, denn § 74 IRG legt gerade eine Zuständigkeitsregelung fest.
Deutsche Strafrechtsnormen, wie zum Beispiel der § 131 StPO können daneben nicht angewandt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat es versäumt entsprechende gesetzliche Regelungen zu verabschieden. Aufgrund dieser Regelungslücke bleibt festzuhalten, dass es derzeit an einer Rechtsgrundlage für den Erlass deutscher europäischer Haftbefehle fehlt.
Auch gegen einen europäischen Haftbefehl besteht die Möglichkeit einer Beschwerde gemäß § 304 StPO oder auch einer weiteren Beschwerde gemäß § 310 StPO, da es sich nach Auffassung des EuGH auch beim Erlass eines europäischen Haftbefehls um eine echte Haftentscheidung handelt.
Höchstrichterliche Entscheidungen zur Rechtswidrigkeit deutscher europäischer Haftbefehle, die durch den Richter ausgestellt wurden, liegen bislang noch nicht vor.
Wie sind nun die Erfolgsaussichten gegen deutsche europäische Haftbefehle vorzugehen?
Aufgrund der gegebenen Rechtslage bestehen derzeit gute Erfolgsaussichten gegen deutsche europäische Haftbefehle vorzugehen.
Allein im Vereinigten Königreich wurde bereits aufgrund der Entscheidung des EuGH die Vollstreckung von mindestens sechs europäischen Haftbefehlen abgelehnt.
Sie benötigen Hilfe im Rahmen eines deutschen europäischen Haftbefehls?
Gerne bin ich Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte behilflich.
Kontaktieren Sie meine Kanzlei telefonisch unter 0821/515109 oder per E-Mail an kontakt@anwalt-augsburg-strafrecht.de.
Ihr Rechtsanwalt Dietmar Geßler